Von Cosy Crime bis Hard Boiled – Welche Krimi-Subgenres muss man gelesen haben?

Krimi ist nicht gleich Krimi. Vom Kriminalroman für gehobene Ansprüche bis zum Groschenheft. Vom humorvollen Cosy Crime bis zum grimmigen Hard-Boiled-Roman. Krimis gibt es für jeden Geschmack.

Immer mal wieder werde ich in Gesprächen mit Äußerungen konfrontiert, wie »Ach, nee, Krimis sind mir zu brutal. So was les ich nicht.« oder »Krimis sind mir zu sehr Schema-F.«

Nun muss natürlich niemand Krimis lesen, wenn sie ihn partout nicht interessieren. Aber das Genre auf »Brutalität« oder auch nur irgend ein anderes Schlagwort zu beschränken, wird ihm meiner Meinung nach nicht gerecht. Denn das erfolgreichste Genre in der Literatur ist natürlich bei der Vielzahl an Titeln so facettenreich, dass eigentlich für jeden was dabei sein dürfte.

Hier ein grober Überblick.

Detektivgeschichten

Die Ursprünge des Genre liegen mehr oder weniger in Detektivgeschichten. Die ersten populären Ermittler waren E.T.A. Hoffmanns »Das Fräulein von Scuderi« und der Protagonist C. Auguste Dupin aus E.A. Poes Detektivgeschichten, hier vor allem »Der Mord In der Rue Morgue«. Die ersten echten Detektivkrimis dürften A.C. Doyles Erzählungen um Sherlock Holmes sein. Die berühmteste Holmes-Geschichte ist wahrscheinlich der Roman »Der Hund der Baskervilles«.

Sherlock Holmes wurde zum Vorbild für das Subgenre der Detektivgeschichten und lange Zeit auch des Krimis schlechthin. In ihrem Zentrum steht ein mehr oder weniger schrulliger Detektiv, ein Außenseiter der Gesellschaft, den man aber trotzdem (oder gerade deswegen) in sein Herz schließt.

Und dieser Detektiv löst mit seinem herausragenden Verstand rätselhafte Verbrechen, die auf den ersten Blick verworren, übernatürlich oder unglaubwürdig erscheinen, am Ende dann aber doch eine natürliche Erklärung besitzen.

Detektivgeschichten sind in der Regel gewaltarm, dialoglastig und sind meistens gewürzt mit einer Prise Humor. In ihrem Zentrum steht ein Rätsel. Und der größte Spaß besteht in einem Wettlauf zwischen Leser und literarischem Detektiv. Wer findet als erste die Lösung des Rätsels?

Cosy Crime

Das Subgenre Cosy Crime, das auch Cozy Mystery oder weniger treffend Landhaus-Krimi genannt wird, ist ein Genre, das maßgeblich von Agatha Christie mit Detektiven wie Miss Marple und Hercule Poirot geprägt worden ist. »Mord im Orient-Express«, »Tod auf dem Nil« oder »16 Uhr 50 ab Paddington« und »Der Tote in der Bibliothek« sind bekannte Romane.

Humor und das beschauliche Landleben sind im Cosy Crime zentrale Elemente. Der Mord dient hier als ein außergewöhnliches Ereignis, das eine vermeidlich heile Welt in Aufruhr versetzt und einen kurzen,. aber auch nicht zu verstörenden Blick hinter ihre Kulisse gewährt. Mehr noch als in anderen Genres ist es die Aufgabe des Detektivs, diese Idylle wieder herzustellen.

Gewalt steht im Cosy Crime absolut im Hintergrund. Meistens ist das Verbrechen vor dem Einsetzen der Handlung schon geschehen und es wird eher über Leichen und ähnliche grausige Dinge geredet, als dass sie auftauchen.

Hard Boiled

Eine besondere Form der Detektivgeschichten sind Krimis, die man mit den Schlagwörtern Hard Boiled oder auch Crime Noir bezeichnet. Ihre Hauptvertreter sind die amerikanischen Autoren Dashiell Hammett und Raymond Chandler mit ihren Detektiven Sam Spade und Philip Marlowe.

Die bekanntesten Romane dieses Genres dürften Hammetts »Der Malteser Falke« und Chandlers »Der große Schlaf«. Aber auch an Autoren wie Ross Macdonald, Mickey Spillane und vor allem dem sehr produktiven Robert B. Parker sollte man nicht vorbeigehen, wenn sich mit diesem Genre beschäftigen will.

Hard-Boiled-Romane sind düsterer und grimmiger als die bloßen Detektivgeschichten von Doyle. Und auch wenn in ihnen häufig rätselhafte Verbrechen eine große Rolle spielen, verschiebt sich der Fokus. Hier geht es eher um das Verbrechen und seine verschiedenen Erscheinungsformen.

Die hartgesottenen Detektive brillieren nicht wie Holmes durch enormes Fachwissen oder herausragende Intelligenz (auch wenn sie nicht gerade auf den Kopf gefallen sind). Vielmehr beißen sie sich durch, sind stur und opferbereit.

Tragische Wendungen, ein zynischer Ermittler und Lügen und Betrug sind hier zentrale Motive. Schauplatz dieser Romane ist in der Regel die Großstadt, die nur das Schlechteste aus den Menschen hervorbringt. Und das sind in der Regel Korruption und Gewalt.

Police Procedural/Polizeiroman

Während in den meisten frühen Formen des Krimis die in der wirklichen Welt ja tonangebenden Ermittler der Polizei häufig eine untergeordnete oder sogar lächerliche Rolle spielten, eroberten sich die professionellen Ermittler irgendwann mit dem Polizeiroman ihr Genre wieder zurück.

Dabei rückt das Verbrechen selbst in vielen Police Procedurals ein wenig in den Hintergrund. Ermittlungsmethoden und Alltag von Kommissaren, aber auch ihr Privatleben spielen eine große Rolle. Nicht selten sind die Hauptfiguren dieser Romane gebrochen, einsam und psychisch belastet.

Die aktuelleren Trends in diesem Sub-Genre sind Gerichtsmediziner-Krimis oder Geschichten, in denen Fallanlytiker (Profiler) die Ermittler sind. Hier sind Autoren wie Tess Gerritsen mit ihren Rizzoli & Isles-Romanen (»Die Chirurgin«), Kathy Reichs‘ Tempe-Brennan-Romane (»Tote lügen nicht«) oder Michael Robothams Joe-O’Loughlins-Romane (»Adrenalin«) beispielhaft.

Während in den bisher genannten Subgenres der Fokus häufig auf dem Rätselhaften und dem Zwischenmenschlichen liegt, legt der Polizeiroman viel Wert auf Realismus und Plausibilität.

Regionalkrimi

Eine besondere Form von Cosy Crime, die sich zur Zeit vor allem bei deutschsprachigen Autoren und Lesern großer Beliebtheit erfreut, ist der Regionalkrimi. Im Prinzip sind diese Geschichten Detektiv- oder Polizeiromane, bei denen jedoch ein besonderer Wert auf den Ort des Geschehens gelegt wird.

Meistens ist dieser identisch mit bekannten Urlaubsorten (Sylt, Provence, Schottland usw.) und das Lokalkolorit spielt eine große Rolle. Wahrscheinlich erfreuen sich diese Romane einer so großen Beliebtheit, weil man sie passend zum Reiseziel auswählen kann. So erlebt man in den Ferien spannende Abenteuer im Kopf, während man gleichzeitig entspannt am Strand liegen kann. Als Nebeneffekt lernt man die Region, in der man sich gerade befindet, noch besser kennen.

Ein Reiz des Regionalkrimis liegt also in dem Wiedererkennenungseffekt von regionalen Besonderheiten, Kulturgütern und Sagen und Geschichten, weswegen diese natürlich ganz besonders gut recherchiert und raffiniert in die Handlung eingebettet sind.

Nele Neuhaus‘ Bodenstein-und-Kirchhoff-Romane (»Eine unbeliebte Frau«) oder Rita Falks Eberhofer-Krimis (»Winterkartoffelknödel) sind bekannte Vertreter dieses Genres.

Dokumentarische und/oder sozialkritische Krimis

Am ehesten für literarisch interessierte Leser sind sozialkritische und dokumentarische Krimis geeignet. Sie zeichnen sich durch eine künstlerische Sprache aus. Hinzu kommt, dass sie nicht selten entweder reale Kriminalfälle literarisch aufarbeiten oder zumindest welche behandeln, die sehr, sehr nahe an der Realität sind.

Schwedische Krimiautoren sind für diese Spielart besonders bekannt, wie zum Beispiel Maj Sjöwall und Per Wahlöö (Martin-Beck-Reihe »Der Tote im Götakanal«), aber auch der deutsche Schriftsteller Horst Bosetzky, der vor allem unter seinem Pseudonym -ky bekannt geworden ist (»Im Wahn des Herrn«). Amerikanische Autoren wie Don Winslow (»Tage der Toten«) fallen auch in dieses Subgenre.

Historische Krimis

Viele Krimis sind für uns heute historische Krimis. Sherlock-Holmes-Geschichten spielen mehr oder weniger im viktorianischen England, Agatha-Christie-Romane erschienen in den 1920ern bis 1970ern. Und die Hard-Boiler-Romane spielen meistens im urbanen Amerika der 1930er bis 1950er. Aber das liegt nicht daran, dass sie als historische Romane konzipiert wurden. Sie wurden zu dieser Zeit als Gegenwarts-Romane geschrieben, die aber bis heute noch aufgelegt werden.

Historische Krimis sind Romane, die in der Gegenwart geschrieben werden, aber in einer anderen Epoche spielen. Dabei besitzen sie häufig ein weiteres Sub-Genre. Volker Kutschers Romane sind beispielsweise Hard-Boiled-Romane, die im Berlin der 1930er spielen. Die Romane von Ellis Peters sind Detektiv-Geschichten, die aber im Mittelalter angesiedelt sind.

Einer der berühmtesten Vertreter dieses Genres ist sicherlich Umberto Ecos »Der Name der Rose«.

Crossgenre-Krimis

Obwohl streng genommen historische Krimis auch schon Crossgenre-Romane sind, versteht man unter Crossgenre-Krimis in der Regel noch einmal etwas anderes. Im historischen Krimi wird ja die Handlung sozusagen nur auf der Zeitachse verschoben.

Der typische Crossgenre-Krimi fügt einem Kriminalroman noch die Gesetzmäßigkeiten und Motive eines gänzlich anderen Genres hinzu.

Sehr bekannt sind hier beispielsweise Isaac Asimovs Romane »Die Stahlhöhlen« und »Die nackte Sonne«, die SF-Krimis sind, die in einer dystopischen Zukunft spielen und gleichzeitig für Asimovs Robotergeschichten philosophische Fragen aufwerfen.

Jim Butchers Harry-Dresden-Romane (»Sturmnacht«) sind eigentlich waschechte Hard-Boiled-Krimis, wenn Harry Dresden nicht ein echter Magier wäre und somit die Täter nicht selten andere Zauberer, Trolle und Feen sind.

Krimi ist ein wunderbar facettenreiches Genre

Die Vielfältigkeit des Genres ist zumindest das, was mich so sehr am Krimi fasziniert.

Krimis verbinden. Sie bergen dank ihrer Vielfalt die Chance, viele Menschen miteinander zusammenzubringen, die eigentlich ganz unterschiedliche Geschmäcker haben.

Denn am Ende geht es in den Geschichten immer um die großen Fragen nach Leben und Tod, ganz gleich in welchem Gewand sie auftreten. Und die Vielfalt der Krimi-Subgenres bieten einem die Chance, sich mit ihnen ganz nach dem eigenen Geschmack auseinanderzusetzen.

Am Ende muss man natürlich nicht ein bestimmtes Genre gelesen haben. Ich persönlich habe eine große Schwäche für Detektivgeschichten, Hard-Boiler-Romane und SF-Krimis. Aber das ist ja das Tolle – beim Krimi ist für jeden was dabei. Man muss sich nur ein wenig in dem Irrgarten aus Subgenres zurechtfinden.

Welches Krimi-Subgenre lesen Sie am liebsten? Was macht für Sie die Faszination der vielen Krimi-Subgenres aus? Diskutieren Sie mit mir auf Facebook, Instagram oder Twitter. Ich bin gespannt.

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