Faszination Sherlock – Wieso man Arthur Conan Doyles Detektivgeschichten lesen muss

Faszination Sherlock

Die BBC-Serie Sherlock erfreut sich großer Beliebtheit, nicht zuletzt dank der charismatischen Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch und Martin Freeman. Aber es steckt noch mehr hinter dem Erfolg der Serie, die eine außergewöhnlich engagierte Fangemeinschaft hat.

Meiner Meinung liegt das an den spannenden Geschichten Arthur Conan Doyles, dem Erfinder und Autor von Sherlock Holmes. Sie sind zwar inzwischen rund hundert Jahre alt, aber ich denke, dass sie immer noch lesenswert sind. Hier ein paar Gründe, wieso Sherlock-Holmes-Geschichten auf deine Leseliste wandern sollten.

Sherlock-Holmes-Geschichten sind die ersten Krimis

Man kann lange darüber fachsimpeln, wann genau die Wurzeln der Kriminalliteratur sichtbar werden. Ganz sicher haben beispielsweise Autoren wie Edgar Alan Poe und E.T.A Hoffmann ihren Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Genres geleistet. Und es gibt noch einige andere wichtige Einflüsse, die dazu geführt haben, dass Arthur Conan Doyle 1887 den ersten Sherlock-Holmes-Roman »Eine Studie in Scharlachrot« schrieb.

Am Ende kann man sich aber sicherlich darauf einigen, dass Doyle die ersten Krimis schrieb, wie wir sie kennen. Mehr noch, er schrieb die ersten populären Krimis. Denn der Erfinder von Sherlock Holmes ist zu seiner Zeit dank seiner schillernden Hauptfigur zu einem wohlhabenden Bestseller-Autor geworden.

Somit haben Doyle und seine Hauptfigur Holmes Krimis, wie wir sie heute kennen, bekannt gemacht und somit auch geprägt wie kein anderes Werk in der Literaturgeschichte.

Wer also aus literaturhistorischem Interesse Krimis lesen will, der kommt an Sherlock-Holmes-Geschichten nicht vorbei.

Aber natürlich gibt es noch viele andere und sogar noch bessere Gründe, die Geschichten von Conan Doyle auch heute noch zu lesen.

Mehr Spaß beim Lesen und Gucken heutiger Krimis

Sherlock Holmes steckt praktisch überall. Sobald man einen Kriminalroman aufschlägt oder einen entsprechenden Film oder eine Serie guckt, verbirgt sich mit großer Wahrscheinlichkeit mehr oder weniger direkt der Einfluss Arthur Conan Doyles hinter den Kulissen.

Ganz offensichtlich wird dieser Bezug natürlich bei TV-Serien wie eben Sherlock, aber auch der amerikanischen Version Elementary. Beide Serien sind für sich gesehen bereits sehenswert, machen aber umso mehr Spaß, wenn man die vielen Anspielungen an die Originale erkennt.

Von »Blacklist« bis »Das Schweigen der Lämmer« wird die Beziehung zwischen Holmes und Watson, die Arthur Conan Doyle vor über hundert Jahren als geschicktes Erzählmuster erfand, immer wieder variiert.

Wer Hercule Poirot oder Miss Marple liest, wird schnell die Parallelen zum genialen Ermittler Holmes erkennen. Auch die hartnäckigen Crime-Noir-Detectives Sam Spade oder Philip Marlowe werden interessanter, wenn man erkennt, dass sie als bewusstes Gegenkonzept zum rationalen Sherlock Holmes entworfen worden sind. Besonders deutlich wird das bei Mickey Spillane Mike Hammer.

Wer moderne Romane mit Sherlock Holmes lesen will, dürfte damit seinen Stapel ungelesener Bücher bis in den Himmel türmen können. Zahlreiche Autoren haben Sherlock von den Toten auferstehen lassen und Romane mit ihm in der Hauptrolle geschrieben. Besonders die Romane von Anthony Horowitz sind an dieser Stelle empfehlenswert.

Aber auch in anderen Romanen, die auf den ersten Blick wenig mit dem Meisterdetektiv aus der Bakerstreet zutun haben, lassen erstaunliche Parallelen erkennen. Das liegt zum einen daran, dass Doyle das Ermittlerduo als wichtigen Bestandteil der Kriminalliteratur etabliert hat.

Chris Carters harte Thriller um Robert Hunter haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam mit Conan Doyles vergleichsweise idyllischen Sherlock-Holmes-Geschichten.

Beim zweiten Hinsehen fallen jedoch erstaunliche Parallelen auf:

  • Einzelgängertum,
  • herausragende physisches und mentale Fähigkeiten,
  • gerissene Gegner,
  • rätselhafte Grundstruktur.
  • forensisches Arbeitsweise,
  • Verfolgen einer Beweiskette
  • Ermittlerduo.

Das Grundmuster der viktorianischen Detektivgeschichte, wie Doyle sie prägte, ist selbst in amerikanischen Serienkiller-Romanen präsent.

Vor allem die dunkle Seite eines Ermittlers ist ebenfalls etwas, das Leser fasziniert. Thomas Harris hat dieses Prinzip mit Hannibal Lecter auf die Spitze getrieben. Aber es ist in seinen Grundzügen schon bei Sherlock Holmes angelegt. Denn der Meisterdetektiv ist keineswegs ein charmanter Eigenbrötler, wie beispielsweise Georges Simenons Margret .

Holmes neigt zu einer herablassenden Behandlung seiner Mitmenschen, nimmt Drogen und wirkt allzu oft barsch und ungeduldig.

Faszination am Übernatürlichen und Rätselhaften

Für mich persönlich am interessantesten ist bei Doyle jedoch die Faszination an übernatürlichen Themen. Doyle war selbst überzeugter Spiritist und glaubte an Geister und allerlei andere esoterische Dinge. Umso spannender ist es, dass sein literarische ikonische Hauptfigur das genaue Gegenteil ist.

Nicht bei allen. aber doch bei einigen Geschichten Doyles ist diese Faszination deutlich zu erkennen. Spannend ist jedoch, dass die Grundanlage seiner Figur Doyle dazu zwingt, die übernatürlich oder wenigstens besonders rätselhaft erscheinenden Ereignisse seiner Geschichten, am Ende stets natürlich zu erklären.

Im Prinzip sind somit die für mich besten Sherlock-Holmes-Geschichten eine Allegorie auf das naturwissenschaftliche Denken schlechthin. Ein scheinbar unerklärliches Phänomen, für das die Existent des Übersinnlichen auf den ersten Blick die plausibelste Erklärung darstellt, entpuppt sich bei genauer Betrachtung und gründlicher, rationaler Überlegung als etwas sehr Weltliches.

So gelesen sind Sherlock-Holmes-Geschichten angewandte Aufklärung. Und das gefällt zumindest mir ganz besonders gut. Im Vordergrund steht somit nicht hat die Faszination am Verbrechen, sondern die Verherrlichung der Rationalität.

Dazu gehört auch der Aspekt, dass Arthur Conan Doyle mit der Zeit für seine Geschichten eine fiktive Welt erschaffen hat, die dank akribischer Details, unvergesslicher Figuren und einem geschickten Verweben von Realem und Erfundenem überzeugender wirkt als die Realität selbst. Am Ende fällt es Lesern schwer zu erkennen, wo die Realität endet und die Fiktion beginnt.

Auch das ist ein Prinzip, dass Doyle in die Popkultur eingeführt hat und das später beispielsweise von Orson Wells mit seinem Kampf der Welten auf die Spitze getrieben wurde . Aber es ist bis heute ein leitendes Prinzip für alle Serienautoren, die wiederkehrende Figuren und Orte erschaffen, die ihre Leser mittels der Bücher immer wieder gerne aufsuchen.

  • Geheimgesellschaften,
  • Mysterien,
  • unglückselige Beziehungen quer durch alle Gesellschaftsschichten und
  • ein gewisser Hang zur Moral, die sich nicht immer mit dem deckt, was legal ist, sind die anderen Themen, die in Sherlock-Holmes-Geschichten auftauchen.

Und auch damit hat Arthur Conan Doyle vielleicht nicht den Themenkreis, um den bis heute Kriminalgeschichten kreisen, erfunden, aber doch populär gemacht und somit fest in dem Genre verankert. So gut wie alle Detektivgeschichten nach ihm behandeln eines dieser Themen mehr oder weniger intensiv.

Der Einstieg in Holmes‘ Welt

Angesichts des umfangreichen Sherlock-Holmes-Pophänomens kann es als Herkulesaufgabe erscheinen, den Einstieg in die Welt, die Arthur Conan Doyle schuf, zu bewältigen.

Wer noch nie etwas von Sherlock Holmes gelesen oder gesehen hat, der sollte am besten mit dem Film Sherlock Holmes von Guy Ritchie mit Robert Downey Jr. und Jude Law in den Hauptrollen anfangen.

Der Film ist extrem unterhaltsam und in gewisser Weise ein Destillat von Conan Doyles Sherlock-Holmes-Kanon. Einige Aspekte von Holmes werden in den Vordergrund gerückt, wie sein Interesse am Kampfsport und seine Fähigkeit der perfekten Verkleidung, die in den Geschichten von Doyle eher nebensächlich sind. Aber darüber kann man gut hinweggucken und wird mit einem sehr unterhaltsamen und rasant erzählten Film belohnt.

Von dort aus ist der Griff zum Buch empfehlenswert.

Da Sherlock-Holmes zu Doyles Lebzeiten im Magazin als Begleitgeschichte veröffentlich wurde, gibt es nur sehr wenige längere Erzählungen. Was seinerzeit als Roman durchging, ist heutzutage eher eine Novelle oder ein Kurzroman. Aber wer auf die Langform wert legt, findet mit Der Hund der Baskervilles einen perfekten Einstieg. Nicht umsonst ist dieser Roman häufig verfilmt worden und fällt fielen als erstes ein, wenn man an den Meisterdetektiv denkt.

Wer mit dem teils etwas überholten Schreibstil Arthur Conan Doyles wenig anfangen kann, muss jedoch die Geschichte nicht meiden. Es gibt hervorragend und mit populären Sprechern besetzte Hörspielfassungen der 56 Kurzgeschichten und 4 Romane Doyles, die verflixt viel Spaß machen.