Dialoge – 7 Todsünden

Dialoge - 7 Todsünden

Dialoge können der spannendste Teil eines Romans sein. Häufig packen sie mich und reißen mich mit. Manchmal jedoch stolpere ich über sie. Vor allem beim Vorlesen. Meistens liegt das dann an einer der sieben Todsünden.

1. Zu später Redebegleitsatz

»Ich weiß auch nicht, wieso das nicht funktioniert hat. Es tut mir wirklich leid. Aber ich kann es jetzt auch nicht ändern. Versuchen wir es doch einfach später noch mal, ja?«, fragte Jörg.

Gelingt es Ihnen, auf einen Blick zu erfassen, dass diese wörtliche Rede von Jörg stammt? Wenn ja, herzlichen Glückwunsch. Falls nicht, willkommen im Klub. Nach vier Sätzen erfahre ich erst, wer spricht.

Wenn nun mehrere Figuren an einer Szene beteiligt sind, ist das wenigstens heikel. Gerade beim Vorlesen mit verschiedenen Stimmen ist der Vortragende schlicht aufgeschmissen, da er im besten Fall eine Pause machen muss, um zu erfassen, wer denn gerade spricht. Somit wird das eine holperige Angelegenheit.

Schlimmstenfalls muss der Dialog zweimal gelesen werden. Und das reißt jeden aus dem Fluss. Ein herber Einschnitt ins Lesevergnügen, der nicht sein muss.

Ein besserer Weg, den Dialog zu schreiben wäre, denn Redebegleitsatz so früh wie möglich zu platzieren.

»Ich weiß auch nicht«, sagte Jörg, »wieso das nicht funktioniert …«

2. Überflüssiger Redebegleitsatz

Jörg hob die Schultern. »Ich weiß auch nicht, wieso das nicht funktioniert hat«, sagte er.

Jörg hob die Schultern hat den großen Vorteil, dass ich nicht nur sofort weiß, wer spricht. Ich habe auch noch ein Bild vor Augen, was Jörg beim Sprechen gerade tut. Zwei Fliegen mit einer Klappe erwischt.

Es ist beim Schreiben immer gut, wenn ein Element mehrere Funktionen erfüllt. Elegant. Anschaulich. Effektiv.

Wozu dann also noch den Redebegleitsatz ans Ende stellen?

Der überflüssige Redebegleitsatz bläht den Text auf und nimmt damit Tempo aus der Geschichte. Ja, für sich gesehen sind die zwei Wörter und der eine Punkt jetzt keine Katastrophe. Doch wenn das häufiger vorkommt, kann das auf die Dauer den Text verwässern.

3. Lange, verschachtelte Sätze

»Und das, möchte ich in aller Bescheidenheit hinzufügen, denn ich bin ja ein wirklich bescheidener Mensch, der sich ungern mit fremden Federn schmückt, auch wenn mir hier immer wieder von bestimmten Leuten das Gegenteil unterstellt wird, ist ein wahrlich, das kommt übrigens nicht gerade leichtfertig über meine Lippen, genialer, womit ich nicht übertreibe, Schachzug von mir gewesen.«

Ich gebe zu, dass dieses Beispiel übertrieben ist. Aber auch nur ein bisschen. Ähnliche Dinge lese ich nicht unbedingt selten. Ja, ein solcher Satz kann einen Sprecher charakterisieren. Und in einer Komödie könnte man ihn vielleicht auch gut verwenden.

In den allermeisten Fällen würde ich jedoch nach so einem Satz das Buch aus der Hand legen. Nicht nur, dass Schachtelsätze das Verständnis erschweren. Sie sind auch unrealistisch. Kaum ein Mensch redet so. Das macht sie für Dialoge besonders ungeeignet.

Besonders dramatisch beim Vorlesen: Ich habe am Beginn des Satzes noch keine Ahnung, wie er enden wird. Es gibt also keine Chance, ihn richtig zu betonen.

4. »Butler and Maiden«-Dialoge

»Reginald, geben Sie bitte diesen Brief beim Lord ab.«
»Aber, liebe Gloria, Sie wissen doch, dass der Lord heute nicht zu Hause ist.«
»Ach ja, ich vergaß. Er stiehlt sich ja um diese Zeit immer aus dem Haus, um sich ohne das Wissen der Lady mit seinen Freunden im Club zu treffen und diese furchtbaren Zigarren zu rauchen.«
»Oh, arme Gloria, das hat er Ihnen vielleicht im Vertrauen erzählt. Aber mir hat er gestanden, dass er sich in Wirklichkeit mit seiner Geliebten trifft,.«
»O nein, wie schockierend. Das darf niemand erfahren.«

In diesem Dialog geschieht nichts weiter, als dass Informationen für den Leser platziert werden. Ich erfahre nichts über die beiden Figuren, die sprechen. Der Plot wird nicht vorangetrieben. Es macht nicht einmal Spaß, ihn zu lesen, weil es keine zweite Ebene gibt.

Im Prinzip ist dieser Dialog Infodump. Er ist vielleicht ein klein wenig besser als reines Infodump. Zumindest ich lese Dialoge lieber als Erzählungen oder Beschreibungen. Aber er ist auch nicht sehr viel besser.

Das Problem ließe sich lösen, indem man einen Konflikt zwischen Reginald und Gloria zusätzlich zu den Informationen stattfinden lässt. Ein paar Sätze, die Handlungen beschreiben, könnten die beiden noch charakterisieren und versteckte Hinweise auf die Entwicklung des Plots andeuten.

Ich finde es also nicht prinzipiell schlecht, Informationen in Dialogen zu verpacken. Es darf halt nur nicht der einzige Zweck des Dialogs sein.

5. Mehrere Figuren gleichzeitig reden lassen

»Au ja, das wollen wir alle! Das haben wir uns schon immer gewünscht! Vielen Dank!«, riefen Jörg, Gloria und Reginald gleichzeitig.

Ich kann kaum in Worte fassen, wie sehr es mich jedesmal ärgert, wenn ich so etwas lese. Und ich lese es erstaunlich häufig.

Erstens kann ich diesem Text niemals als Vorleser gerecht werden. Wie Bitteschön soll ich gleichzeitig mit drei verschiedenen Stimmen lesen? Dieser Text ist für Übermenschen geschrieben.

Zweitens, und das ist viel schlimmer, wird so ein Ausruf in der Realität niemals stattfinden.

»Juchhu!«, schrieen Gloria und Reginald gleichzeitig.

Das kann ich mir noch vorstellen. Spontane, kurze Ausrufe. Einwortsätze. Vielleicht zwei oder drei Wörter gleichzeitig. Aber mehrere Sätze? Wer hat das in der Realität jemals beobachtet? Ich jedenfalls nicht.

Hinzu kommt die Frage, wozu das denn eigentlich gut sein soll? Welchen Mehrwert besitzt es für den Leser, dass viele Figuren gleichzeitig dasselbe sagen? Ich kann mir keinen sinnvollen Effekt vorstellen, den dieses Mittel haben sollte.

6. Lautmalerei

»Ojojoj. Puh. Da haben wir nochmal Glück gehabt. Yeeeehaaa!«

Ein wenig Lautmalerei kann manchmal einen Text auflockern. Aber allzu häufig wird es in meinen Augen übertrieben. Ich empfinde das dann als aufdringlich.

Hinzu kommt, dass ich mir als Leser meistens auch einfach denken kann, welche Laute die Sprecher Figuren neben den Wörtern, die sie sprechen, noch so ausstoßen.

»Puh«, seufzte sie, »Das ging ja noch mal gut.«

Die Lautmalerei ist in meinen Augen überflüssig.

»Das ging ja noch mal gut«, seufzte sie empfinde ich als besser. Allein »Das ging ja noch mal gut.« reicht auch schon. Denn wie soll man den Satz sonst sagen, wenn nicht mit einem erleichterten Seufzer?

Falls dieser Satz mit einer anderen Betonung und einem anderen begleitenden Laut gelesen werden müsste, dann sollte das aus dem Kontext hervorgehen. Er könnte ja beispielsweise ironisch gesagt werden.

Aber auch dann wäre es in meinen Augen eine Todsünde, das im Redebgleitsatz zu betonen.

»Das ging ja noch mal gut«, piesackte sie ihn spöttisch.

Entweder gelingt es mir als Autor, die Szene so zu schreiben, das dem Leser schlichtweg klar ist, dass der Satz nicht voller Erleichterung gesagt wird, sondern ironisch gemeint ist. Gelingt mir das nicht, rettet der Redebegleitsatz die Szene auch nicht mehr.

Wenn der Redebegleitsatz zur Erklärung von etwas dient, das der Leser sich nicht von alleine bereits denken kann, wirkt er belehrend und bevormundend und zerstört damit den Lesefluss. Kann der Leser sich nicht selbst denken, wie etwas gesagt werden sollte, ist der Rest der Szene nicht gut genug geschrieben.

7. Alle lassen sich immer ausreden

Ja, im wahren Leben ist es höflich, sich ausreden zu lassen. Doch auch dort passiert das nicht immer. Im Roman kann es unglaublich langweilig wirken, wenn alle ihre Sätze stets vollständig und wohlformuliert aussprechen können.

»Aber, hören Sie, es geht doch nicht, dass …«
»Wir beide wissen, dass er Mist gebaut hat. Das müssen Sie mir nicht erklären.«
»Okay. Aber wir müssen ihn doch zu Verantwortung ziehen.«
»Das lassen Sie mal …«
»Nein, nein, nein. Sie unternehmen nie was. Ich lasse Ihnen das nicht mehr …«
»Ich bin hier der Boss!«

Ich finde es in Konfliktsituationen nicht nur angemessen, dass sich Menschen ins Wort fallen. Ich finde die Szene auf diese Weise auch dynamischer.

Natürlich darf man es damit nicht übertreiben. Das obige Beispiel ist schon kurz vor der Parodie. Es soll nur verdeutlichen, worum es geht.