Wie man einen verdammt guten Horror-Roman schreibt

Wie man einen verdammt guten Horror-Roman schreibt

Gute Horror-Romane sind faszinierend, weil sie Aspekte der Persönlichkeit ausloten, über die man sonst nicht so gerne nachdenkt. Vor allem aber sind gute Horror-Storys einfach spannend. Deswegen lohnt es sich für jeden Autor, der einen spannenden Roman schreiben will, ein sich mit den Prinzipien des Horror-Genres auseinanderzusetzen.

Auch wenn Sie am Ende einen Krimi oder einen Thriller ohne Horror-Elemente schreiben wollen. Oder in anderen Genres, wie Fantasy, SF oder historische Romanen schreiben. Eine Prise Horror kann manchmal die Atmosphäre verdichten und die Spannung erhöhen.


Quellenangabe zum Weiterlesen

Lange schon suche ich nach guten Büchern über das Schreiben von Horror, aber die Auswahl ist recht klein und keins hat mich bisher so richtig begeistern können. 

Stephen Kings »Das Leben und das Schreiben« verrät zwar viel über seinen Schreibprozess, aber wenig über das Schreiben von Horror.

Bücher wie Guy N. Smiths »Writing Horror Fiction« bieten viel Theorie. Aber einen praktikablen Bauplan für einen Horror-Roman sucht man hier vergebens.

Deswegen habe ich beschlossen, mir selbst aus verschiedenen Quellen eine Schreibanleitung für eine verdammt guten Horror-Geschichte zu basteln. Ich schöpfe dabei aus Stephen Kings »Danse Macabre«, verbinde seine Grundsätze mit Konzepten von James N. Freys „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ und packe noch ein paar eigene Ideen dazu.


1. Grundidee

Prinzipiell ist Horror ein Gefühl, das transportiert wird, eine besondere Atmosphäre, in die der Leser hineinversetzt werden soll. Der Duden definiert Horror als »auf Erfahrung beruhender, schreckerfüllter Schauder, Abscheu, Widerwillen«.

Ich stimme nicht mit Stephen King überein, der in »Danse Macabre« meint, Horror-Literatur sei ein Sub-Genre der Fantasy. Nach der oben genannten Definition kann Horror in jedem Genre ein Sub-Genre sein.

Ein besonders gruselig erzählter Krimi wird zum psychologischen Horror, wie beispielsweise viele Romane von John Connolly. Und eine SF-Geschichte kann, wie der Film »Alien« zeigt, zu einem extremen Schocker werden.

Wollen Sie ein gruseliges Buch schreiben, ist die Grundidee also unabhängig vom Genre und muss sich auf den ersten Blick nicht großartig von der Grundidee zu einem Krimi, Thriller oder auch SF- oder Fantasy-Roman unterscheiden.

Sie müssen allerdings darauf achten, dass Ihre Grundidee bereits den Keim für Horror in sich trägt:

  • Was könnte den Leser an dieser Idee erschrecken?
  • Birgt sie Potenzial für eine gruselige Atmosphäre?
  • Zielt die Bedrohung, die entwickelt wird, auf Urängste ab?

2. Figuren

Der Protagonist einer Horror-Geschichte ist häufig nahe am Durchschnittstypen. Während in Krimis die Ermittler oft herausragende Fähigkeiten besitzen oder im Fantasy-Roman die Hauptfiguren nicht selten große Magier oder Krieger sind, ist der Held einer Horror-Story der Mann oder die Frau, das Mädchen oder der Junge von nebenan.

So ganz stimmt das nicht. Auch beim Entwickeln einer Figur für eine Horror-Geschichte, müssen Sie ihr eine herausragende Eigenschaft verliehen. Im Horror-Eoman ist die herausragende Eigenschaft jedoch meistens eine große Schwäche. Also eine Achillesferse ist, die im Zusammenhang mit dem Plot steht.


Die besondere Bedeutung der herausragenden Eigenschaft Ihres Helden im Horror-Roman

Ein Horror-Roman, in der der Schurke beispielsweise eine Riesenspinne ist, funktionier nicht, wenn der Held keine Spinnenphobie als Achillesferse besitzt. Ganz so plump sollte dies vielleicht nicht immer umgesetzt werden, aber das Prinzip sollte deutlich sein (nicht umsonst hat Martin Brodie in Steven Spielbergs Horror-Filme »Der Weiße Hai« panische Angst vor Wasser.


Der Schurke einer Horror-Geschichte kann ein Monster sein, dann gehört Ihr Roman zum Subgenre »supernatural Horror«.

Ist er ein Mensch, könnte das Subgenre zum »psychologischer Horror» oder auch »Slasher« oder »Gore« gehören. Je nach dem, ob Ihr Roman eher blutig ist oder kaum Gewaltdarstellungen beinhaltet. Auch hier können die Grenzen fließend sein. Dan Wells zeigt in »Ich bin kein Serienkiller«, wie auch supernatural Horror psychologisch werden kann. Die Fortsetzung »Mr. Monster« demonstriert den umgekehrten Fall. »Der Weiße Hai« ist ein Monster-Thriller, nur ohne Fantasy-Elemente.

Auf jeden Fall trägt die Wahl Ihres Schurken maßgeblich dazu bei, zu welchem Subgenre Ihr Horror-Roman gehört.


Wieso ist es so wichtig, das Subgenre Ihres Horror-Romans zu kennen?

Auf den Werken der großen Namen des Genres wie Stephen King oder Peter Straub steht meistens nur »Roman« oder »Horror« als Genrebezeichnung. Doch diesen Luxus, dass der Name des Autors wichtiger als das (Sub-)Genre ist, genießen nur wenige große Autoren.

Horror-Fans sind nicht besonders zahlreich, aber sie lesen in der Regel viel. Sie kennen sich im Genre hervorragend aus. Sie wissen also, was sie wollen.

Das ist für Sie als Autor Chance und Risiko zugleich. Einerseits haben Sie die Chance, sich eine treue Leserschaft zu erarbeiten. Andererseits müssen Sie auch den Erwartungen eines so spezialisierten Publikums gerecht werden, wenn Sie gelesen werden wollen.


Das Wichtigste Merkmal des Schurken in einem Horror-Roman: Er muss Urängste im Helen, aber auch im Leser wecken. King sagt in »Danse Macabre« zu Recht, dass der Gegenspieler in einer Horror-Geschichte stets etwas Allegorisches hat, also ein Sinnbild dessen ist, was wir in unserem Alltag lieber verdrängen, weil es uns unangenehm und beunruhigend ist.

3. Plots

WMystery-Plots sind für Horror-Geschichten besonders gut geeignet, also alle Plots, in denen es darum geht, scheinbar unlösbare Geheimnisse zu lösen. Denn die Verstörung, die dies in uns auslöst, ist eine gute Grundlage für noch bedrohlichere Gefühle.

Viele Horror-Geschichten sind Enthüllungsgeschichten, die Schicht für Schicht ein finsteres, bedrohliches Geheimnis entwickeln. Die meisten Geschichten H.P. Lovecrafts (»Der Ruf des  Cthulhu«, »Der Schatten aus der Zeit« uvm.) funktionieren so, aber auch Romane moderner Horror-Autoren wie Dean Koontz‘ »Phantom«.

Der andere grundlegende Horror-Plot ist der Survival-Horror, wie wir ihn beispielsweise aus vielen Romanen von Richard Laymon (»Die Insel«, »Das Spiel«) kennen.

Natürlich gibt es auch Mischformen. Jeder Mystery-Geschichte können ein paar Action-, oder Splatter-Szenen guttun und umgekehrt.

4. »Show don’t tell« und die »Einheit des Effekts« im Dienste von Schock, Horror und Ekel

King nennt drei Dimensionen des Horrors:

  • Schock: Das Grauen, das die Fantasie des Lesers durch Andeutungen anregt, ohne dass der Autor wirklich etwas Grauenerregendes enthüllt.
  • Horror: Das Grauen, das der Leser wirklich sieht (das Monster, der Serienkiller etc.).
  • Ekel: Spritzende Gedärme oder andere drastische Darstellung von Tabus.

Jede Geschichte sollte ihren Schwerpunkt auf  einer dieser drei Dimensionen haben, ohne aber die anderen vollkommen zu vernachlässigen, um einen großen Grusel-Effekt zu erzielen.

Effekt ist das nächste Stichwort, das zu einer wichtigen Zutat zu einer Horror-Story führt. Edgar Allan Poe, einer der Pioniere der modernen Horror-Literatur, spricht von der »Einheit des Effekts«, also davon, dass eine wirkungsvolle Geschichte, sich um einen zentralen Gedanken drehen, nur wenige Figuren beinhalten und auch nur einen kurzen Zeitraum behandeln sollte, damit der Leser sie möglichst in einem Rutsch lesen kann.

Anders ausgedrückt: Je mehr Sie sich beim Schreiben Ihres Horror-Romans darauf konzentrieren, dass die Zeit, die der Leser braucht, um die Geschichte zu lesen, auch mit dem Zeitraum übereinstimmt, in dem die Geschichte stattfindet, desto besser gelingt es Ihnen, den Sog der Gefühle zu erzeugen.

Das bedeutet also, dass eine verdammt guter Horror-roman möglichst in wenigen Tagen, einer Nacht oder sogar in wenigen Stunden spielen sollte, an einem abgelegenen und geschlossenen Ort mit nur wenigen Figuren. Horror-Storys sind selten weltumspannende Abenteuer, die über den Zeitraum mehrerer Monate oder Jahre stattfinden.

Show don’t tell ist deswegen im Horror-Roman von zentraler Bedeutung. Denn es geht hier ja darum, den Leser etwas fühlen zu lassen. Er muss in die Situation der Geschichte eintauchen, als würde er sie selbst gerade erleben, damit er sich auch gruseln kann.