Warum Selfpublishing nicht der leichtere Weg ist

Warum Selfpublishing nicht der leichtere Weg ist

Über Autoren, die im Selfpublishing veröffentlichen, wird nur zu gerne die Nase gerümpft. Häufig geht damit das Vorurteil einher, dass Selfpublisher den leichteren Weg wählen würden. Und zwar leichter im Vergleich zu einer Verlagsveröffentlichung. Ich hingegen würde behaupten, dass es umgekehrt ist. Verlagsautoren wählen den leichteren Weg.

Ist es der schwierigere Weg, in einem Verlag zu veröffentlichen?

Die meisten Menschen glauben, einen Verlag für ein Buch zu finden, sei besonders schwierig. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt zahllose Kleinverlage oder digitale Imprints größerer Verlage. In der Regel suchen diese Verlage Autoren. Dort veröffentlich zu werden ist nicht schwierig. Vorausgesetzt natürlich, der Text ist gut. Aber was wiederum ein guter Text ist, liegt bis zu einem gewissen Grad im Auge des Betrachters.

Wer sein Manuskript sprachlich und inhaltlich gründlich überarbeitet und das Feedback unabhängiger Testleser einarbeitet, kann sich eigentlich recht sicher sein, dass er zumindest keinen absoluten Mist geschrieben hat. Demnach dürften dann die Chancen dafür, einen Verlag zu finden, nicht schlecht stehen.

Vorausgesetzt, wir reden von Kleinverlagen oder digitalen Imprints. Es kann dauern. Vielleicht muss noch eine Menge überarbeitet werden. Aber wer sich anstrengt und kleinere Rückschläge in Kauf nimmt, wird auch einen Verlag finden.

Was nimmt ein Verlag den Autoren alles ab?

Verlagsautoren haben es in einige Bereichen wesentlich einfache als Selfpublisher.

  1. Sie müssen sich nicht um Lektorat und Korrektorat kümmern.
  2. Sie müssen sich nichts ums Cover kümmern.
  3. Sie müssen keine ISBN organisieren.
  4. Sie müssen keine Druckerei suchen.
  5. Sie müssen ihre Bücher nicht in die gängigen Internetshops einstellen.
  6. Sie müssen sich keine Gedanken darüber machen, wie sie in den stationären Buchhandel gelangen.
  7. Selbst bei den Abrechnungen und den Steuererklärungen haben sie es am Ende ein wenig leichter als Selfpublisher.
  8. Sie müssen nicht dafür sorgen, dass Exemplare ihrer Bücher an die Staats- und Landesbibliothek geschickt werden.

All diese Dinge müssen Selfpublisher selbst erledigen (und wenn ich noch ein wenig länger nachdenken würde, würden mir noch mehr Punkte einfallen).

Während diese Liste beim Verlagsautoren von mehreren freundlichen Mitarbeitern abgearbeitet wird, muss der Selbstverleger alles in Personalunion erledigen. Das kostet viel Zeit, Mühe und Know-how. Das rechtfertigt ja auch, warum Verlage relativ viel vom Buchumsatz einbehalten. Am Ende lässt sich aber festhalten, dass es der Verlagsautor in so ziemlich jeder Beziehung leichter hat als der Selfpublisher.

Warum hält sich so hartnäckig das Vorurteil, Selfpublisher würden den leichteren Weg gehen?

Nun, meiner Meinung nach, weil viele einem schlichten Bild der Verlagswelt nachhängen, das in seiner Einfachheit nicht (mehr?) existiert. Denn die meisten Menschen denken bei Verlagsautoren nicht an Autoren, die bei Kleinverlagen oder Imprints veröffentlichen, sondern an Autoren, die bei den großen Publikumsverlagen erscheinen. Also bei Heyne, Bastei, Droemer-Knaur oder Blanvalet usw.

Doch hier veröffentlicht zu werden ist nicht schwer. Es ist unwahrscheinlich.


Wieso ist es unwahrscheinlich, bei einem großen Publikumsverlag veröffentlicht zu werden?

Die großen Publikumsverlage haben pro Jahr für einzelne Genres nur wenige Plötze frei. Und diese dann mit unbekannten, bislang nicht veröffentlichten Autoren zu füllen, stellt ein großes Risiko dar. Deswegen werden die wenigen Plätze natürlich zuallererst mit etablierten und möglichst großen Namen belegt, von denen man sich sicher sein kann, dass diese auch ihre Kosten wieder einspielen.

Wenn man der Mehrheit der Aussagen über den Buchmarkt glaubt, schwinden die Leserzahlen und die Buchumsätze gehen zurück. Auch die der großen Verlage. Damit werden die Programmplötze immer rarer gesät und die Bereitschaft, mit einem unbekannten Autor Risiken einzugehen, wird immer geringer.


Der klassische Weg, sich eine Agentur zu suchen, die dann einen Publikusmverlag für einen findet, gleicht zunehmend einem Lotteriespiel, das nur wenig mit der Qualität des Manuskripts zutun hat.

Es ist also sehr unwahrscheinlich, bei einem großen Publikumsverlag veröffentlicht zu werden. Besonders schwierig, in dem Sinne, dass es von einem Autor sehr viel Anstrengung und besonders hohe Qualität seines Manuskripts erfordert, ist es allerdings nicht. Denn, sobald man dort den Vertrag unterschrieben hat, übernehmen natürlich auch hier die Verlagsmitarbeiter alle Aufgaben, die sonst ein Selfpublisher erledigt.

Wer also der Ansicht ist, Selfpublisher würden den leichteren Weg wählen, müsste konsequenter Weise auch behaupten, dass Menschen, die arbeiten, gingen den leichteren Weg, anstatt doch lieber Lotto zu spielen, um ihr Geld zu verdienen.

Was steckt wirklich hinter dem Gerücht, dass Selfpublisher den leichteren Weg gingen?

Was freilich viele meinen, die behaupten, Selfpublisher würden den leichten Weg wählen, hat eigentlich mit der Veröffentlichungsform recht wenig zu tun. Jene Leute wollen eigentlich sagen, dass bei den Verlagen wertvolle Literatur erschiene und im Selfpublishing nur Schund.

Aber auch das ist bei näherer Betrachtung natürlich nicht haltbar. Zunächst einmal ist ja die Entwicklung zu beobachten, dass es einen zunehmend regen Wechsel zwischen beiden Lagern gibt. Erfolgreiche Selfpublisher werden von Verlagen umworben, wohingegen etablierte Verlagsautoren (also solche, die bei großen Publikumsverlagen veröffentlichen), wenigstens teilweise auch ins Selfpubsishing gehen.

Wer also vor dieser Entwicklung seine Augen nicht verschließt, muss eingestehen, dass im Selfpublishing so einige Perlen der Literatur erscheinen und/oder bei den Publikumsverlagen nicht nur Hochliterarisches zu finden ist.

So oder so, das Gerücht, Selfpublisher würden den einfacheren Weg wählen, ist schlichtweg ein übles Vorurteil. Und es stellt, wie es so häufig böse Gerüchte tun, die Welt von den Füßen auf den Kopf.