Rechtschreibung ist auch nur eine Stilfrage

Rechtschreibung ist auch nur eine Stilfrage

Oder ist Rechtschreibung eine Frage des Stils?

Sie ahnen vielleicht, worum es hier geht. Häufig bietet Ihnen die deutsche Sprache alternative Formulierungs- und Schreibweisen an. Und welche Wahl Sie treffen, sollten Sie nicht dem Zufall überlassen.

Okay, ich gebe zu, der Titel ist etwas provokant formuliert. Denn natürlich sollte kein Zweifel daran bestehen, dass das Beherrschen von Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung zum Rüstzeug eines Autors gehören muss. Wer sich jedoch mit der deutschen Rechtschreibung näher beschäftigt, stellt schnell fest, dass sie weit weniger eindeutig ist, als man vermuten könnte. Und für welche mögliche Alternativen man sich entscheidet, ist am Ende eben eine Stilfrage.

Hier fünf Beispiele stellvertretend für viele andere, bei denen Sie eine bewusste Entscheidung treffen können, und so einen individuellen Schreibstil ausprägen.


Warum gibt es überhaupt alternative Schreibweisen?

Wozu gibt es denn eigentlich den Duden, wenn es am Ende doch so viele Fälle gibt, die nicht eindeutig, sondern bestenfalls zweideutig geregelt sind?

Der Duden ist kein Werk, das von einem Autor verfasst wird. Über seinen Inhalt entscheidet eine Kommission. Und wie das bei Kommissionen so üblich ist, wird in Zweifelsfällen häufig ein Kompromiss gesucht. Und diese Kompromisse laufen nun einmal manchmal darauf hinaus, dass es nicht eine, sondern mehrere gleichberechtigte Schreibweisen gibt.


1. »So dass« oder »sodass«?

»Er reichte ihr den Mantel, sodass sie endlich losgehen konnten.« Stattdessen können Sie auch »Er reichte ihr den Mantel, so dass sie endlich losgehen konnten.« schreiben.

Nur eine Kleinigkeit? Mag sein. Trotzdem zwingt sie die Möglichkeit, die sie haben, zu einer Entscheidung. Und am Ende macht es schon einen Unterschied. Das Schriftbild verändert sich ein wenig. Der Lesefluss ebenfalls. Der Duden empfiehlt die Zusammenschreibung.

Fest steht: Haben Sie in einem Text einmal eine Entscheidung getroffen, müssen Sie auch dabei bleiben. Alles andere wirkt uneinheitlich und kann Leser wenigstens unbewusst irritieren.

2. Ist so’n Blödsinn wirklich auch son Blödsinn?

Das kommt drauf an. Auch in solchen Fällen haben Sie die Wahl. Denn der Duden schreibt hier lediglich vor, dass Wörter der gesprochenen Sprache, die mit Auslassungen schriftlich abgebildet, mit einem Apostroph versehen können, aber nicht müssen.

Gut, das Beispiel in der Überschrift ist vielleicht für die meisten kein großer Entscheidungsfall. Son ist schlechter zu lesen als so’n. Aber wie steht es mit gibt’s oder gibts statt gibt es? Darfs oder darf’s statt darf es?

Hier können Sie von Fall zu Fall entscheiden, je nach dem, was Sie als lesbarer empfinden. Aber auch solche Entscheidungen prägen am Ende ihren Schreibstil.

3. »Benutzen« Sie das häufiger oder »benützen« Sie es doch lieber selten?

»Benutzen« kann stellvertretend für verschiedene Varianten eines Wortes stehen, je nach dem, in welchem Sprachraum Sie sich bewegen. Standardsprachlich ist zwar »benutzen« das häufiger verwendete Verb, aber falsch ist deswegen »benützen« nicht. Es ist nur eher in Süddeutschland, Österreich oder der Schweiz üblich.

Für welche Variante Sie sich in solchen Fällen entscheiden, ist vor allem wichtig, wenn Sie beispielsweise einen Regionalkrimi oder einen historischen Roman schreiben, der in einer entsprechenden Region spielt. Aber auch jenseits von Genrefragen kann eine solche zulässige Abweichung von der Standardsprache Ihren Texten eine persönliche Note verschaffen.

4. »Aufgrund« dieses Beitrags brummt Ihnen jetzt bestimmt ganz schön der Schädel …

… oder blicken Sie »auf Grund« des Beitrags jetzt endlich durch? Beides ist richtig. Der Duden empfiehlt zwar die Schreibung »aufgrund«, lässt aber »auf Grund« ebenfalls zu. Manche argumentieren, dass die erste Schreibung besser wäre, denn dann sei eine Verwechslung mit der Verwendung wie »Das Schiff lief auf Grund.« nicht möglich. Nun ja. Aus dem Zusammenhang dürfte immer sehr schnell deutliche werden, um welchen Grund es sich handelt. Aber so oder so – Sie haben die Wahl.

5. Zusammen oder doch lieber getrennt?

Die Getrennt- und Zusammenschreibung im Deutschen ist ein Kapitel für sich. Die Regeln sind komplex und man muss sich im Detail schon ziemlich gut auskennen. Allerdings gibt es einige Fälle, in denen Sie tatsächlich die Wahl haben. Sollten Sie darauf also »Acht geben« oder doch besser »achtgeben«? So oder so sollten Sie vor solchen Entscheidungen nicht »haltmachen«. Oder doch lieber »Halt machen«? Wichtig ist jedenfalls, dass Sie »maßhalten« können. Vielleicht sollten Sie aber doch »Maß halten« …

Puh, darüber müssen Sie jetzt »erstmal« nachdenken. Oder sollten Sie lieber »erst mal «darüber nachdenken? Das wäre schon mal gut. Oder ist es schonmal gut?

Und diese Beispiele sind nur die Spitze des Eisbergs …


Die Qual der Wahl kann Ihnen niemand ersparen

Es sollte deutlich werden: Das Deutsche lässt Ihnen häufig die Wahl. Und was für sich gesehen vielleicht auf den ersten Blick als Kleinigkeit erscheint, ergibt in der Summe Ihren individuellen Schreibstil. Denn in welcher Kombination Sie sich für welche Varianten entscheiden, ist Ihre Entscheidung und damit auch Ihre persönliche Note in Ihren Texten.

Ich persönlich habe zwei Kriterien, nach denen ich gerne in Zweifelsfällen entscheide:

  1. Welche Variante ist kürzer?
  2. Welche Variante ist verständlicher?

Gerade beim Zusammenziehen mehrer Wörter (siehe 1.) kann es sein, dass das neu entstandene Wort ohne Apostroph zwar kürzer ist. Aber häufig entstehen dadurch dann auch Wörter, die schwerer zu lesen sind.