Mit diesen zehn Eigenschaften wächst Ihr Held Ihren Lesern ans Herz

Mit diesen zehn Eigenschaften wächst Ihr Held Ihren Lesern ans Herz

Literarische Figuren sind keine echten Menschen. Sie dienen dem Leser als Angebot, ihnen in eine Geschichte zu folgen und sie durch ihre Augen zu erleben. Ob der Leser dieses Angebot annimmt und dann auch leidenschaftlich mitzittert, hängt davon ab, ob der Held ihm ans Herz wächst. Folgende Eigenschaften können diesen Effekt bewirken.

1. Gemeinsamkeiten

Eine Figur, die die eine oder andere Sache mit dem Leser gemeinsam hat, kann ihm auch schnell sympathisch sein. Damit meine ich nicht, dass eine Figur den gleichen Beruf haben sollte wie der Leser, denn das engt die Sache schon sehr ein. Immerhin ist nicht jeder Krimileser Kommissar. Derartig speziellen Gemeinsamkeiten können sich nur zufällig ergeben. Aber es gibt noch viel grundlegendere Gemeinsamkeiten. Tierliebe, die Angst vor großem Publikum zu reden, das Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung usw. Gute Gemeinsamkeiten sind also Eigenschaften, die die meisten Menschen ebenfalls besitzen, die aber andererseits auch nicht zu allgemein sein dürfen.

2. Konflikte

Eine Figur, die Konflikte hat, ist interessant und sympathisch, weil wir alle auch unsere größeren und kleineren Konflikte haben. Die Konflikte anderer Menschen sind interessant, weil sie Figuren menschlich machen und weil der Leser aus ihnen unter Umständen lernen kann, selbst wenn er das gleiche Problem nicht hat. Wir alle wollen zum Beispiel gesund leben, können aber nicht immer unseren inneren Schweinehund zum Sporttreiben überreden.

3. Konsistenz

Im wirklichen Leben sind die Menschen voller Widersprüche. Von Situation zu Situation verhalten wir uns unterschiedlich. Wir sind bereit, Prinzipien über Bord zu werfen. Wir finden Kälber niedlich, essen aber zugleich gerne Kalbfleisch. Romanfiguren sollten möglichst widerspruchsfrei sein. Leser stören sich zurecht an Figuren die widersprüchlich handeln, weil sie sich betrogen fühlen.

4. Tiefe

Jede Figur in einem Roman sollte ein Leben außerhalb der Romanhandlung besitzen. Ein Hobby, eine Vorgeschichte und Eigenschaften, die nichts mit der Geschichte zu tun haben. Dies gibt dem Leser das Gefühl, dass die Figur nicht nur als Plotelement, sondern als echte Persönlichkeit existiert. Diese Eigenschaft, die nichts mit der Romanhandlung zutun hat, muss in der Geschichte keine Rolle spielen. Manchmal taucht sie nur im Nebensatz auf. Das reicht bereits. Sherlock Holmes beispielsweise spielt gerne Geige. Das spielt keine Rolle bei seinen Ermittlungen, rundet die Figur aber ab.

5. Ziele

Helden sollten ein Ziel verfolgen, das erstrebenswert erscheint, denn dies bringt die Handlung in Gang und erhöht die Spannung. Abgesehen davon haben die meisten von uns nun mal Ziele, auch wenn wir sie vielleicht nicht immer ehrgeizig verfolgen. Romanfiguren sollten für ihre Ziele leidenschaftlich brennen. Dabei sind Ziele gut, die der Leser entweder mit der Figur teilt oder nachvollziehen kann. Dies ist der Grund dafür, dass in so vielen Thrillern Eltern ihre Kinder vor dem Schurken retten müssen.

6. Entwicklung

Eng mit Zielen verbunden ist die Entwicklung des Helden. Wer ein Ziel anstrebt, entwickelt meistens neue Fähigkeiten oder Persönlichkeitsmerkmale, mit denen er diese Ziele verwirklichen kann. Wer eine bedeutende Prüfung schaffen möchte, muss die Fähigkeit entwickeln, über einen langen Zeitraum zu lernen. Entwicklungen sind interessant, denn wir können aus ihnen lernen und mitfiebern. Je größer die Entwicklung, um so interessanter. Figuren können sich beispielsweise vom Außenseiter zum Partylöwen, vom Fiesling zum Wohltäter oder vom Feigling zum Helden entwickeln. Möglichst entgegensetzte Pole, zwischen denen eine entscheidende Entwicklung stattfindet, sind am interessantesten.

7. Vorbildlichkeit

Wir verlangen gerne von anderen Menschen, sich vorbildlich zu verhalten. Gerade Autoritätspersonen in verantwortungsvollen Positionen wie Politiker, Polizisten oder Ärzte sollten unserer Auffassung nach ohne Makel sein. Das bedeutet nicht, dass eine Figur sich von Anfang an vorbildlich verhalten muss. Im Sinne einer Entwicklung kann sie sich gerade zu Beginn einer Geschichte überhaupt nicht vorbildlich verhalten, dann aber an wichtigen Wendepunkten Entscheidungen treffen, die wir im wahren Leben vielleicht aus Angst oder Bequemlichkeit meiden.

8. Expertentum

Jemand, der sein Handwerk versteht, genießt unsere Bewunderung und ist uns somit sympathisch. Wer mag schon einem Stümper bei der Arbeit zugucken? Ihre Figur sollte eine Sache beherrschen, in der sie wirklich gut ist, besser als alle anderen. Ist ihr Held überall gut, wird er uninteressant. Aber eine herausragende Stärke und eine herausragende Schwäche sollten sich gegenüberstehen.

9. Aktivität

Figuren dürfen allerhöchstens bis zum Wendepunkt einer Geschichte passiv sein. Früher oder später müssen sie handeln. Nichts ist unsympathischer als eine Figur, die sie nur treiben lässt. Helden zeichnen sich dadurch aus, dass sie entschlossen aktiv sind. Helden sind Anführer, die wissen, was zu tun ist.

10. Macken

Kleine Angewohnheiten, die uns im wahren Leben auf die Palme bringen, können dem Leser einen Romanhelden ans Herz wachsen lassen. Kojak lutscht nicht ohne Grund gerne Lollis und kommentiert das Geschehen regelmäßig mit »Entzückend, Baby.«, sodass wir die Uhr danach stellen können.


Nicht alles auf einmal!

Nicht jede Figur eines Romans braucht alle Eigenschaften, um Sympathien beim Leser zu wecken. In manchen Beziehungen kann eine Figur auch das genaue Gegenteil von dem verkörpern, was hier steht. So kann sich eine Figur beispielsweise alles andere als vorbildlich verhalten und trotzdem sympathisch sein, wenn sie ein paar der anderen Eigenschaften hat, die gut aufeinander abgestimmt sind.

Stellen Sie sich die zehn Eigenschaften wie die Regler an einem Mischpult vor. Wenn Sie den einen Regler nach unten schieben, müssen Sie einen anderen erhöhen, um ein ausgewogenes Gesamtbild hui erschaffen.