Wie so ziemlich alles werden auch Schreibtipps in den sozialen Medien und an anderen Stellen im Netz mehr oder weniger hitzig diskutiert. Aber so gerne ich auch sonst diskutiere – ich muss gestehen, bei Schreibtipps sind Diskussionen eigentlich vollkommen überflüssig. Und hier ist der Grund dafür:
»Don’t fix what isn’t broken«
Viele Autoren sind ähnlich wie ich Schreibtippjunkies. Soll heißen: Man liest einfach jeden Schreibratgeber, der einem unter die Finger gerät. Entweder um im Anschluss an die Lektüre die einzige wahre Heilslehre zu verkünden. Oder um sich darüber aufzuregen, welcher Quatsch da verbreitet wird.
Bei genauerer Betrachtung ist das absolute Zeitverschwendung. Schlimmer noch, das Ganze ist eine Form der Prokrastination, also der Aufschieberitis. Denn während man Schreibtipps liest, beschäftigt man sich ja auch irgendwie mit dem Schreiben. Das macht ein gutes Gewissen, obwohl man eigentlich gerade das, was man eigentlich möchte, nicht tut. Nämlich Schreiben.
Die gesündere Haltung gegenüber Schreibtipps folgt dem bewährten Grundsatz aus der Programmierbranche: »Don’t fix what isn’t broken.«. Frei übersetzt: »Doktor nicht an Dingen herum, die funktionieren.«
Wann sollten Sie Schreibtipps suchen und wann nicht?
Häufig verwirren Schreibtipps. Wenn ich Leuten erkläre, wie und warum ich Romane ausführlich plane, bevor ich mit dem Schreiben beginne, kräuseln sich manchmal bei meinem Gegenüber die Augenbrauen und ich ernte ein: »Hä? Wozu soll das gut sein? Ich setz mich hin und schreibe, bis das Ding fertig ist.«
Und wenn das tatsächlich so funktioniert, gibt es auch keinerlei Grund, daran etwas zu ändern. Schreibtipps sind nur dann sinnvoll, wenn Sie selbst an einen Punkt beim Schreiben gelangen, an dem Sie bemerken, dass es so nicht weitergeht.
Genau deswegen plane ich. Beschreibungen, Dialoge, Figuren – für mich alles kein Problem. Aber viele, viele Romanprojekte waren Rohrkrepierer, weil ich mit dem Plot nicht zurechtkam. Erst, nachdem ich Einiges übers Plotten und darüber, wie man einen Roman planen kann, gelernt habe, konnte ich Romanprojekte auch beenden.
Dann – und nur dann – ergeben Schreibtipps auch wirklich Sinn. Schreibtipps müssen dabei helfen, ein Problem zu lösen. Sie dürfen keine neuen erschaffen.
Das Problem der Selbsterkenntis
Dummerweise ist es nicht immer so einfach, zu erkennen, weswegen der Schreibprozess gerade ins Stocken gerät. Wenn Sie es nicht gewohnt sind, Texte zu analysieren, dann kann es schlicht unmöglich sein, den Finger in die Wunde zu legen. Meistens ist man selbst für seine eigenen Texte der schlechteste Kritiker.
Doch zum Glück sind Sie ja keine Insel. Es gibt viele andere Autoren da draußen, denen es ähnlich ergeht. Wagen Sie den Schritt vor die Tür und treffen Sie sich mit einer Schreibgruppe oder suchen Sie sich einen Schreibpartner.
Zen oder die Kunst, mit Schreibtipps umzugehen
Die Aufregung über den einzig wahren Weg, Romane zu schreiben, ist also bestenfalls ein amüsanter Zeitvertreib, in jedem Fall eine Form der Aufschieberitis und schlimmstenfalls ein Weg, um miese Stimmung zu verbreiten. Dafür sind Schreibtipps auch nicht gemacht.
Es gibt keine Schreibpolizei, die darauf achtet, dass beim Romanschreiben bestimmte Regeln eingehalten werden. Es gibt keine Strafzettel für das Missachten der Drei-Akte-Sturktur. Es gibt am Ende lediglich Lektoren und Leser, die bestimmte Ansprüche an einen Text stellen. Und auch diese können sehr unterschiedlich sein. Nur, weil man sich an vermeidlich unumstößliche Gesetzmäßigkeiten hält, garantiert das keinen Erfolg.
Jeder Schreibtipp, den sie suchen und finden oder der ihnen beim Surfen im Netz oder dem Stöbern in der Bibliothek so begegnet, sollten Sie deswegen betrachten wie ein Zenmeister seine bewussten Gedanken bei der Meditation. Wahrnehmen, nicht bewerten, und vorüberziehen lassen.
Vielleicht macht es Klick und Sie erkennen, dass dies genau der Tipp ist, den Sie gebraucht haben, damit das Schreiben wieder Spaß macht, besser flutscht oder was auch immer. Die Wahrscheinlichkeit ist aber gar nicht mal so klein, dass Sie den Tipp gar nicht benötigen, weil er ein Problem adressiert, das Sie gar nicht haben. Dann lassen Sie den Tipp einfach weiterziehen, bis er auf jemanden trifft, der ihn gut gebrauchen kann, ohne ihn zu beachten, ihn zu diskutieren oder sich gar darüber aufzuregen.