Manche Wörter wirken harmlos. Bei genauerer Betrachtung sind sie es aber nicht – im Gegenteil. Sie können eine große Wirkung entfalten, die Sie als Autor gar nicht bezwecken. Zu einem dieser Wörter gehört das unscheinbare »als«. Hier eine ausdrückliche Warnung, »als« zu benutzen.
Vor nicht allzu langer Zeit las ich einen Roman, dessen Autor offenbar sehr gerne »als« benutzte. Viele Sätze lauteten so in etwa:
- »Als er aufstand, packten ihn Peter und Klaus und halfen ihm hoch.«
- »Als er an der Villa vorbeikam, hielt er inne und erstarrt vor Ehrfurcht.«
- »Als er das nächste Mal erwachte, war es schon spät am Abend.«
Achtung, Gefahr – der Duden warnt – indirekt – vor Bedeutungskuddelmuddel:
- »als« ist eine Konjunktion (also ein Bindewort), das Vor-, Nach und Gleichzeitigkeit ausdrückt
- »als« ist gleichzeitig auch ein Adverb
- »als« ist gleichbedeutend mit »nachdem, »während«, »wenn«, »wie«, zu der Zeit und »da«
- »als« wird verwendet, um sowohl Gleichheit als auch Ungleichheit zu verwenden
Eine ganze Menge Bedeutung, die in drei kleine Buchstaben gepresst wird. Und was »als« nun tatsächlich meint, muss sich der Leser aus dem Zusammenhang ableiten. Meistens stellt das keine große Arbeit dar. Und immerhin sind Leser es ja auch gewohnt, sich Bedeutung aus dem Zusammenhang zu erschließen. Trotzdem ist »als« ein kleiner Sonderfall, bei dem nun wirklich verflixt viele verschiedene Bedeutungen möglich sind.
Am schlimmsten jedoch ist die bohrende Frage, die auch bei den oben genannten Beispielen offen bleibt: Geschieht nun das Geschilderte gleichzeitig oder erst nacheinander? Oder sogar vorzeitig?
Packten Klaus und Peter ihn, bevor, nachdem oder während er aufstand?
Erstarrte er bevor, nachdem oder während er an der Villa vorbeikam?
War es schon spät am Abend während oder nachdem er erwachte? In welcher Erzählsituation befindet sich die Perspektivfigur hier also? Schildert sie aus einer großen oder aus einer unmittelbaren Distanz das geschehen?
Ihnen kommt diese Kritik als Erbsenzählerei vor? Ihre Leser achten da ohnehin nicht so genau drauf? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das Problematische an solchen Dingen ist, dass Ihre Leser vielleicht unbewusst wahrnehmen, dass sie etwas an diesen Sätzen stört. Am Ende können solche Kleinigkeiten – wenn sie sich häufen und noch mit anderen Ungereimtheiten zusammen auftreten – darüber entscheiden, ob Leser Ihren Roman mögen oder nicht.
Warum ist »als« so besonders problematisch?
- Es sollte im Roman nie der Fall sein, dass es nicht weiter bedeutsam ist, ob etwas vor- nach- oder gleichzeitig stattfindet. Gute Beschreibungen beachten stets die Reihenfolge Aktion und Reaktion.
- Ihre Leser können sich das Geschilderte besser vor ihrem inneren Auge vorstellen, wenn Sie sich genau an das Schema Aktion und Reaktion halten. Ob Sie »als« wie in den oben genannten Beispielen verwenden oder nicht, entscheidet also darüber, ob das Geschehen Ihres Romans abstrakt bleibt oder als innerer Film im Kopf des Lesers abläuft.
- »als« baut eine Distanz auf, die dem Leser bewusst macht: Das hier ist nur ein Text. Er fasst grob zusammen, was gerade geschieht.
- »als« verleitete Autoren dazu, schluderig zu formulieren. Das Wörtchen wirkt wie eine Art Handwedeln, das dem Leser suggeriert: »Ist jetzt gerade nicht so wichtig, wie sich die Dinge ereignen, ich will sie nur mal schnell schildern.« Lieblos, oder?
Schlechter Stil
Zu allen anderen Problemen kommt noch hinzu, dass es unter Stilfanatikern im Deutschen die Faustregel gibt, Sätze lieber nicht mit eine Konjunktion zu beginnen. Wie alle anderen Regeln auch, ist diese nicht in Stein gemeißelt. Und es gibt viele gute Beispiele, die belegen, dass es auch ganz gut sein kann, einen Satz mal mit einer Konjunktion zu beginnen (wie zum Beispiel diesen Satz hier).
Beginnen Sie Ihre Sätze jedoch zu häufig mit Konjunktionen, riskieren Sie, Ihre Leser zu irritieren. Normalerweise verbinden Konjunktionen Satzteile oder Sätze. Beginnen Sie als Autor Sätze zu häufig mit Konjunktionen, kann ein Text unübersichtlich werden und/oder zerrissen wirken. Mit etwas Pech verlieren Sie so Ihre Leser, da sie Ihren Text als anstrengend empfinden.
Ausnahmen von der Regel
Dürfen Sie jetzt niemals mehr »als« schreiben? Natürlich nicht. Der Artikel soll Sie nur dafür sensibilisieren, sich in Zukunft genauer zu überlegen, wann und ob Sie »als« oder andere auf den ersten Blick unscheinbare Wörter benutzen.
- In Dialogen beispielsweise können Sie nach wie vor Figuren »als« in den Mund legen.
- Beim Schreiben Ihres ersten Entwurfs sollten Sie sich keine Gedanken darüber machen, ob Sie »als« verwenden oder nicht. Schreiben Sie, wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist. Aber achten Sie beider Überarbeitung darauf, ob »als« an der ein oder anderen Stelle Sinn ergibt und auch den Effekt erzielt, den Sie beabsichtigen.